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Ronja Kling

'Lamellen vom Kindsein'
100x250 cm
Ink on Polyester Panels

Das Alltagsobjekt - die Büro-Lamellen verschieben das Gedicht in einen neuen Kontext. Was sonst funktional, nüchtern und auf Ordnung ausgerichtet ist, wird Träger poetischer Fragmente. Peter Handkes Worte, die von Unschuld, Nähe und verlorener Unmittelbarkeit sprechen hängen entrückt im Raum.

Damit eröffnet die Arbeit eine Reflexion über Sprache, Erinnerung und Wahrnehmung. Sie stellt die Frage, wie wir Kindheit und Unschuld in einer erwachsenen, strukturierten Welt wiederfinden können – und lädt ein, in der Unordnung, im Fragmentarischen und im Spiel neue Bedeutungen zu entdecken.

Lied Vom Kindsein

Als das Kind Kind war,
ging es mit hängenden Armen,
wollte der Bach sei ein Fluß,
der Fluß sei ein Strom,
und diese Pfütze das Meer.

Als das Kind Kind war,
wußte es nicht, daß es Kind war,
alles war ihm beseelt,
und alle Seelen waren eins.

Als das Kind Kind war,
hatte es von nichts eine Meinung,
hatte keine Gewohnheit,
saß oft im Schneidersitz,
lief aus dem Stand,
hatte einen Wirbel im Haar
und machte kein Gesicht beim fotografieren.

Als das Kind Kind war,
war es die Zeit der folgenden Fragen:
Warum bin ich ich und warum nicht du?
Warum bin ich hier und warum nicht dort?
Wann begann die Zeit und wo endet der Raum?
Ist das Leben unter der Sonne nicht bloß ein Traum?
Ist was ich sehe und höre und rieche
nicht bloß der Schein einer Welt vor der Welt?

Gibt es tatsächlich das Böse und Leute,
die wirklich die Bösen sind?
Wie kann es sein, daß ich, der ich bin,
bevor ich wurde, nicht war,
und daß einmal ich, der ich bin,
nicht mehr der ich bin, sein werde?


Als das Kind Kind war,
würgte es am Spinat, an den Erbsen, am Milchreis,
und am gedünsteten Blumenkohl.
und ißt jetzt das alles und nicht nur zur Not.

Als das Kind Kind war,
erwachte es einmal in einem fremden Bett
und jetzt immer wieder,
erschienen ihm viele Menschen schön
und jetzt nur noch im Glücksfall,
stellte es sich klar ein Paradies vor
und kann es jetzt höchstens ahnen,
konnte es sich Nichts nicht denken
und schaudert heute davor.


Als das Kind Kind war,
spielte es mit Begeisterung
und jetzt, so ganz bei der Sache wie damals, nur noch,
wenn diese Sache seine Arbeit ist.


Als das Kind Kind war,
genügten ihm als Nahrung Apfel, Brot,
und so ist es immer noch.


Als das Kind Kind war,
fielen ihm die Beeren wie nur Beeren in die Hand
und jetzt immer noch,
machten ihm die frischen Walnüsse eine rauhe Zunge
und jetzt immer noch,
hatte es auf jedem Berg
die Sehnsucht nach dem immer höheren Berg,
und in jeder Stadt
die Sehnsucht nach der noch größeren Stadt,
und das ist immer noch so,
griff im Wipfel eines Baums nach dem Kirschen
in einem Hochgefühl wie auch heute noch,
eine Scheu vor jedem Fremden
und hat sie immer noch,
wartete es auf den ersten Schnee,
und wartet so immer noch.


Als das Kind Kind war,
warf es einen Stock als Lanze gegen den Baum,
und sie zittert da heute noch.

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    About the artist

    I would like to introduce myself. My name is Ronja.
    Growing up in the Allgäu region – close to the Alps – I was fascinated from an early age by the shapes, colors, and materials found in the pre-alpine landscape. This later grew into a passion for art, typography, design, slow fashion, illustration, paper in all its facets – and for filling my sketchbooks with drawings. That passion led me to study Communication Design in Munich.
    I gained my first professional experience in advertising agencies and design studios in Munich and Hamburg. Afterwards, I pursued a degree in Time-Based Media in Hamburg to expand my creative work beyond static formats. I became fascinated by how ideas unfold over time – through film, moving images, installations, or interactive processes.
    Since 2020, I have been living in Berlin, working as Head of Design at a small studio focusing on fashion, graphics, and brand development. Here, I was able to expand my expertise into fashion and shop design. The connection between visual design, materiality, and wearable formats opens up new possibilities for me to realize concepts holistically – from the initial idea to the finished product.